Schadensansprache und Beurteilung bei Baumkontrollen

Als Grundsatz der Verkehrssicherungspflicht gilt, dass ein jeder der einen Verkehr eröffnet (der also Gefahrenquellen schafft oder für sie verantwortlich ist) oder den öffentlichen Verkehr auf seinem Grundstück zulässt oder duldet, notwendige Schutzvorkehrungen gegen die daraus resultierenden Risiken zu treffen hat. Damit trägt er die Verkehrssicherungspflicht. Die gilt, unter anderem, auch für alle Bäume. Weil das jedoch lebende, am jeweiligen Standort individuell wachsende Organismen sind, ist deren Stand- und Bruchsicherheit aber nicht immer einfach einzuschätzen.

Baumkontrollen sind daher unerlässlich. Vor allem auf öffentlichen Grundstücken werden diese mittlerweile häufig mit Hilfe von Baumkatastersystemen durchgeführt. Bei der Ersterfassung werden dabei die am Baum vorhandenen Schäden erfasst. Dies macht es für Folgekontrollen einfacher, den Zustand der Bäume zu überprüfen. Mit den nachfolgenden Beispielen wird erläutert, wie die Ansprache von Merkmalen und deren Beurteilung nachvollziehbar durchgeführt werden kann.

Als höchstmöglicher Anspruch jeglicher Baumkontrolle gilt, dass die erfassten Schadmerkmale den Zustand des Baumes möglichst passend wiedergeben. So soll es auch für eine Person wie z.B. den Abteilungsleiter einer Grünflächenabteilung möglich sein, den Zustand eines Baumes allein aufgrund der Schadens-
erfassung des zuständigen Baumkontrolleurs einzuschätzen - zum Beispiel wegen der Notwendigkeit einer eingehenden Untersuchung.

Zielführendere Begriffsklärungen

Laut Baumkontrollrichtlinien (FLL, 2010) müssen Baumkontrolleure:

  • Schäden und Schadsymptome erkennen
  • diese nach Art und Umfang sowie Gefährdungspotential einschätzen können

Bei der Schadenserkennung und Beschreibung in einem Baumkatastersystem ist es vor allem wesentlich, die korrekten, zutreffenden Begriffe zu verwenden. Eine Liste von 200 Merkmalen, die sicher auch die jeweils zutreffenden Merkmale enthalten würde, würde es aber wiederum für den Kontrolleur völlig unmöglich machen, den Zustand innerhalb einer bestimmten Zeitvorgabe passend zu beschreiben, da er bei jedem Baum lange damit beschäftigt wäre, die korrekten Schadsymptome auszuwählen. Es ist also notwendig, eine möglichst kurze Liste von Schadmerkmalen vorzugeben, mit denen alle auffindbaren Schadmerkmale und Symptome annähernd beschrieben werden können.

In den Baumkontrollrichtlinien (FLL, 2010) befindet sich im Anhang das Beispiel eines Kontrollblattes für Regelkontrollen, das vermutlich von mehr als 50 Prozent der Baumkatastersysteme ohne weitere Überprüfung verwendet wird.

Darin werden bei der Schadensansprache z.B. die Begriffe „Astungswunden, Rindenschäden, Anfahrschäden und Verletzungen“ genannt. Es ist nicht sofort nachvollziehbar, wie Rindennekrosen, Blitzschäden, Sonnenbrand, Schleimfluss oder sogar Biberfraß zu bezeichnen sind. Letztendlich könnten alle diese Begriffe unter dem einen Wort "Verletzung" beschrieben werden. Alle anderen in dem Beispielblatt verwendeten Schadsymptome sind folglich überflüssig.

Ebenso wäre in dem Kontrollblatt nicht erkennbar, ob es sich z.B. bei einem Anfahrschaden um eine Stammverletzung mit einer Größe von 10 cm x 5 cm handelt oder um eine Wunde, die die Hälfte des Stammes umfasst, da die Merkmale zwar aufgeführt, aber in den meisten aktuell verwendeten Baumkatastersystemen nicht wirklich beurteilt werden.

Diplom-Forstwirt Peter Klug, ö.b.v. Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Gehölzwertermittlung verwendet in seinem Baumkatastersystem Arbokat® seit nahezu zwei Jahrzehnten eine ergänzende Schadensbeurteilung. Die Schäden werden dabei zunächst mit dem passenden Begriff angesprochen und dann nach drei Schadstufen beurteilt:

1. leichte Schäden: Es sind zwar Schäden vorhanden, diese haben aber keine direkten Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit oder auf das Überleben des Baumes. Eventuell können aber langfristige Beeinträchtigungen resultieren.
Beispiel: Verletzung von ca. 10 cm Durchmesser.

2. deutliche Schäden: Die Schäden können sich mittelfristig auf die Verkehrssicherheit oder auf die Lebenserwartung des Baumes auswirken.
Beispiel: 20 cm tiefe Faulhöhle nach ehemaligem Starkastschnitt am Stamm einer Linde mit ca. 50 cm Durchmesser.

3. erhebliche Schäden: mit direkten bzw. kurzfristigen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit oder auf das Überleben des Baumes muss gerechnet werden. Dies ist nicht damit gleichzusetzen, dass eine unmittelbare Gefahr besteht.
Beispiel: holzzersetzender Pilz (wie Schwefelporling) am Stamm.

Sind an Bäumen „erhebliche Schäden“ vorhanden, bedeutet dies nicht unbedingt, dass diese Bäume eine akute Gefahr darstellen oder gar gefällt werden müssten, sondern dass auf diese Bäume besonders zu achten und der Kontrollrhythmus evtl. zu verkürzen ist. Bestehen aber Zweifel an der Sicherheit des Baumes, ist die dann erforderliche eingehende Untersuchung mit einem erheblichen Schaden zu begründen. Auch eine Fällung sollte in der Regel nur mit dem Nachweis eines erheblichen Schadens erlaubt werden.

Schadensbeurteilung bei Verletzungen

Prinzipiell ist eine Verletzung eine Stelle am oder im Körper, die beschädigt ist (DUDEN-Online). Eine Verletzung an einem Baum kann sehr unterschiedliche Ursachen und Folgen haben. Sie kann sich nur gering auswirken („leichter Schaden“) oder mittelfristig nachteilige Folgen nach sich ziehen („deutlicher Schaden“). Sie kann - drittens - derart stark sein („erheblicher Schaden“), dass kurzfristige, regelmäßige Beobachtungen bzw. Kontrollen erforderlich sind oder sogar unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, um die erforderliche Sicherheit wiederherzustellen. Dies sei durch die angefügten Bildbeispiele erläutert. Diese sollen vor allem einen Aspekt zeigen: Eine Schadensansprache ohne Beurteilung des Schadens kann nicht den tatsächlichen Zustand eines Baumes wiedergeben, da sich Schäden unterschiedlich auswirken können. Eine falsche Einschätzung bei V-Vergabelungen kann dazu führen, dass ohne Notwendigkeit Kronensicherungen eingebaut werden. Dies wiederum führt zu hohen Folgekosten.

Die Beobachtung in der Praxis macht genau das deutlich: Nach Schätzungen Peter Klugs sind mindestens 50 Prozent der eingebauten Kronensicherungen unnötig oder inkorrekt eingebaut. Ein tatsächlicher Experte zeichnet sich in seiner Baumkontrolle dadurch aus, dass er bei der Schadensansprache die korrekten Begriffe verwendet und den Schaden angemessen beurteilt.

Peter Klug
Diplom-Forstwirt, ö.b.v. Sachverständiger
für Baumpflege - Verkehrssicherheit von
Bäumen - Gehölzwertermittlung