Sonderanfertigung für einen Ort würdevollen Gedenkens
Ein üppiger Baumbestand und eindrucksvolle Grabmäler von historischer Bedeutung: Der Berliner Waldfriedhof „In den Kisseln“ ist mit einer Gesamtfläche von 62 Hektar die größte Begräbnisstätte der Bundeshauptstadt. Das hohe Besucheraufkommen und starke Regenfälle verursachten auf den überwiegend unbefestigten Hauptwegen der Anlage über die Jahre aber zusehends größere Schäden. Nun werden die wichtigsten Teile des Wegenetzes mit Pflasterklinkern ausgestattet, die Vandersanden in Zusammenarbeit mit Denkmalpflegern extra für dieses Projekt entwickelt und produziert hat.
Als die seinerzeit noch eigenständige Stadt Spandau im November 1886 den Friedhof eröffnete, musste die Befestigung der Zufahrtswege mangels Geld zunächst erst einmal aufgeschoben werden. Die Bodenverhältnisse erleichterten den Verzicht: Das Friedhofsgelände liegt in einer bewaldeten, hügeligen Dünenlandschaft, der Untergrund besteht überwiegend aus Sand, und Grundwasser findet sich erst weit unter der Erdoberfläche.
Möglichst schnell erweitern
Aus der Lage leitet sich der Name der Begräbnisstätte ab: Mit Kiefern bewachsene Sanddünen werden volkstümlich auch als „Küsseln“ bezeichnet, woraus im Sprachgebrauch schließlich „Kisseln“ wurde. So oder so: Nachdem das Areal anfangs lediglich 5,2 Hektar umfasste, ging es angesichts einer schnell wachsenden Bevölkerung und den Folgen zweier Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem darum, das Friedhofsgelände immer wieder möglichst schnell zu erweitern. Selbst nach Abschluss der bislang letzten Flächenvergrößerung Anfang der 1970er-Jahre blieben viele der Hauptwege weiterhin unbefestigt.
Mit dem Hauptstadt-Boom des beginnenden 21. Jahrhunderts konnte die für den Friedhof zuständige Verwaltung des Bezirks Berlin-Spandau die Sanierung des Wegenetzes dann nicht länger aufschieben. „Ein Teil der Hauptwege muss zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit, zur Sicherstellung des Bestattungsbetriebes sowie für die Erreichbarkeit der Gräber dringend erneuert werden“, so die Begründung der im Jahr 2016 beschlossenen Investition. Über mehrere Bauabschnitte verteilt, werden seitdem Wegstrecken mit einer Gesamtlänge von 1.800 Metern auf einer Breite von jeweils drei Metern nach und nach befestigt, Mitte 2023 soll das Projekt dann abgeschlossen sein.
Aus einem Guss
Die Verwendung von Pflasterklinkern zur Bodenbefestigung war auf dem Friedhof In den Kisseln zu Beginn der neuzeitlichen Planungen gar nicht vorgesehen. Stattdessen favorisierten die Spandauer Bezirksverwaltung und auch die zuständigen Denkmalpfleger mit Blick auf die langfristigen Wartungs- und Instandhaltungskosten eine wassergebundene Decke. Während der Vorbereitungen des Projektes kam dann aber die Idee ins Spiel, die Pflasterdecke der Hauptwege im Einklang mit der Architektur der historischen Friedhofsbauten zu gestalten. Das Augenmerk richtete sich vor allem auf die monumentale, aus gelbem Klinker errichtete Feierhalle. Die Wege zur Feierhalle und das Gebäude selbst sollten als Ensemble „aus einem Guss“ wahrgenommen werden können, so der Ansatz. Damit nicht genug. Um die Ensemble-Wirkung zu gewährleisten, gab die formale Ausschreibung der Bauleistungen die Lieferung von Pflasterklinkern im Format 140x140x140 mm vor – würfelförmige Ziegel, wie sie vor langer Zeit im Umfeld der Feierhalle des Friedhofes bereits verbaut wurden. Als Naturstein oder als Pflasterstein aus Beton eine durchaus gängige Größe; als Pflasterklinker hingegen ein absolut ungewöhnliches Format jenseits aller Standards.
Kompliziert und spannend
Im Ergebnis der Ausschreibung erwies sich Vandersanden als einziger Anbieter in der Lage, die Pflasterklinker für die Befestigung der Friedhofswege in der gewünschten Spezifikation zu liefern. „Ein vergleichbares Projekt habe ich in den zwölf Jahren meiner Tätigkeit noch nie erlebt“, erinnert sich Tobias Heim, der als Fachberater im Außendienst von Vandersanden das Vorhaben betreute. „Als Muster standen lediglich die Ziegel der bereits vorhandenen, historischen Bodenpflasterung zur Verfügung“, so Heim weiter, „aber weder der einstige Hersteller noch die Herkunft des Rohmaterials waren bekannt.“ Wahrscheinlich wurden die Klinker aus dem Ton gebrannt, der früher in der Region Leipzig-Halle gewonnen wurde – aber genauer ließ sich das nicht mehr herausfinden.
Für Tobias Heim und die Produktionsfachleute von Vandersanden folgte sodann eine „komplizierte, aber auch sehr spannende“ Bemusterung. „Zunächst ging es darum, anhand kleiner Proben gebrannter Klinker die am besten passende Farbe zu treffen“, berichtet Heim. „In der Umgebung unseres Ziegelwerks Oberlausitz konnten wir auf Ton zurückgreifen, der nach dem Brennen dem gelben Farbton der vorhandenen Klinker immerhin schon sehr nahe kam.“ Eine bloße Annäherung an den Farbton reichte den beteiligten Denkmalpflegern indes nicht aus. Auch wenn die vorhandenen Ziegel einst kräftig gelb erstrahlten, hatten sie mit der Zeit doch Patina angesetzt – und dieses Farbspiel sollten auch die von Vandersanden neu produzierten Klinker bieten können.
Vielzahl an Versuchen
Bis die Ziegelbrenner aus dem Vandersanden-Werk Oberlausitz die Vorstellungen der Denkmalpfleger perfekt erfüllen konnten, brauchte es eine Vielzahl an Versuchen. „Wann immer wir meinten, dass es passen könnte, haben wir auf dem Friedhofsgelände eine Musterfläche angelegt und das Ergebnis mit allen Beteiligten begutachtet“, so Tobias Heim. „Mal waren die Klinker etwas zu gelb, mal etwas zu grau oder sahen einfach zu neu aus. Das richtige Farbspiel und die gewünschte Wirkung zu treffen, war schon eine recht große Herausforderung.“
Die Herausforderung ging allerdings noch über die passende Farbe der Pflasterklinker hinaus. Tobias Heim: „Strangpress-Klinker als Würfel mit exakt 14 Zentimeter Kantenlänge herzustellen, ist technisch kaum darstellbar. Wir konnten uns dann aber mit der Denkmalpflege darauf einigen, dass die Ziegel mit 15 Zentimeter Kantenlänge etwas größer ausfallen würden, was sich auf das Gesamtbild der Pflasterung aber nicht nennenswert auswirkt.“ Schließlich ließen sich die öffentlichen Auftraggeber aus Berlin-Spandau auch auf das „Abspecken“ der Klinker ein, denn 15 Zentimeter hohe Pflasterklinker sind selbst für Schwerlastverkehr absolut überdimensioniert und auch nicht sonderlich nachhaltig.
Ohne Fase produziert
„Auf den Hauptwegen werden nun sieben Zentimeter hohe Klinker verlegt, und in den Kreuzungsbereichen bieten die Ziegel mit zehn Zentimetern Dicke auch bei gleichzeitiger Überfahrt von Lastwagen und Baumaschinen die nötige Stabilität.“ In diesem Fall werden die Pflasterklinker übrigens entgegen den sonst üblichen Standards ohne Fase produziert. „Die Ziegel dürfen den Vorgaben der Denkmalpflege entsprechend eben nicht absolut neu aussehen und Abplatzungen während des Transports oder bei der Verarbeitung sind ausnahmsweise durchaus erwünscht“, begründet Tobias Heim die ungewöhnliche Vorgehensweise. Abgesehen von der spannenden Suche nach dem perfekt passenden Pflasterklinker spielte auch die Lieferzeit der Produkte eine wichtige Rolle. „Im Werk Oberlausitz sind wir in der Regel sehr gut ausgelastet“, so Vandersanden-Fachberater Tobias Heim, „eine Sonderanfertigung wie in diesem Fall auch zeitlich passgenau zu liefern, kann nur dank der großen Einsatzbereitschaft des Teams in der Produktion gelingen.“
Nachhaltige Produktion
Als Dank für das Engagement können sich die Ziegelbrenner darüber freuen, dass sie mit den Pflasterklinkern für den Berliner Waldfriedhof In den Kisseln zugleich auch ein absolut neues Format für das Sortiment von Vandersanden aus der Taufe gehoben haben. Denn mit „Spandau Antik“, einen gelb-grauen Pflasterklinker mit quadratischer Oberfläche – und beachtlicher Vorgeschichte – hat Vandersanden die Range des Möglichen für seine Kunden wieder einmal erweitert.